Rudolf Steiner - Tierwelt und Menschenwelt (1915)
Machen wir uns dann nur das eine klar, wenn wir das, was wir gelernt haben über die alte Atlantis, einmal an unserer Seele vorüber-ziehen lassen: wie ist es denn, wenn wir den Blick werfen auf das, was heute als Tierwelt, als Menschenwelt um uns herum lebt? Das alles war noch zur Zeit der alten Atlantis ganz anders! Vergegenwärtigen wir uns, was wir in dieser Beziehung wissen. Wir wissen, daß erst während der alten Atlantis die Menschen als Seelen herunterkamen von der Wanderung, die sie durchgemacht hatten in der Sternenwelt. Sie suchten sich erst wieder menschliche Leiber aus, die aus dem Materiale, dem Substanz des Irdischen heraus ihnen zugefommt waren. Und wir wissen aus der Darstellung, die gegeben worden ist, wie anders in der atlantischen Zeit diese menschlichen Leiber waren. Ich habe wie derholt darauf aufmerksam gemacht - und Sie können es auch in meinen Schriften lesen -, daß der Menschenleib dazumal noch weich, biegsam, bildsam war, so war, daß die aus den Himmeiswelten herunterkommenden Seelen die Leiber noch formen konnten.
Nehmen Sie einmal an, eine Frau - oder damit wir nicht einseitig sind -, ein Mann wird heute zornig, richtig böse, und macht sich mit bösen Gedanken über einen anderen Menschen her. Nicht wahr, gar so stark kommt das nicht in der Umformung des Gesichtes zum Ausdruck, ein bißchen schon, aber nicht so stark. Die Menschen können heute schon sehr böse sein, und es kommt nicht so stark in ihrem Physiognomie zum Ausdruck. Das war früher in der alten atlantischen Zeit anders. Da wurde das Gesicht, wenn der Mensch etwas Böses im Sinne hatte, ganz Ausdruck seines Inneren, da wandelte es sich ganz um, so daß es dazumal nicht unrichtig gewesen wäre, wenn man gesagt hätte: Der schaut aus wie eine Katze. - Es schaute dann wirklich der Mensch wie eine Katze aus oder wie eine Hyäne, wenn er ganz falsch wurde. Das Äußere des Menschen war dazumal noch ganz und gar Ausdruck des Inneren. Also verwandlungsfähig war dazumal der Mensch in hohem Grade.
Bei den Tieren war diese Verwandlungsfähigkeit schon geringer, aber sie war auch vorhanden; ihr physischer Leib war schon viel mehr verfestigt als der des Menschen, und eine Verwandlung fand nur ganz allmählich statt. Namentlich waren die Tiere gattungsmäßig verwandelbar, nicht so, daß sie die Eigenschaften so stereotyp vererbten wie heute. Alles hat sich also für den physischen Menschenleib immer mehr verfestigt, möchte ich sagen, in feste Formen gegossen seit der atlantischen Zeit. Der Mensch hat heute zwar noch die Möglichkeit, seine Hand zu bewegen, auch ein gewisses Mienenspiel des Gesichts zu entfalten; aber in gewissem Sinne ist die Form seines Leibes doch fest geworden. Und völlig verfestigt sind die Tierformen, die daher Starrheit in ihrer Physiognomie uns zeigen. Das war auch bei den Tieren in dem Maße noch nicht der Fall in der alten atlantischen Zeit.
Wir können, wenn wir den Menschen charakterisieren wollen, im allgemeinen sagen: Heute ist sein physischer Leib in hohem Maße starr, sein Ätherleib, der ist noch leicht beweglich. Der Ätherleib formt sich daher auch noch nach dem, wie der Mensch innerlich ist. So hat es schon eine größere Bedeutung, sogar eine gewisse Realität, wenn zum Beispiel jemand böse wird, daß sich äußerlich sein Gesicht ein wenig zur Hyänenähnlichkeit formt, sein Ätherleib schon hyänenähnlicher wird. Der Ätherleib ist schon noch metamorphosierbar, der Ätherleib hat noch etwas, was ihn verwandelbar sein läßt. Aber er ist ebenso auf dem Wege zur Starrheit wie der physische Leib. Wie der physische Leib von der atlantischen Zeit bis in unseren fünften nachatlantischen Zeitraum hinein feste Formen bekommen hat, so wird von dem fünften in den sechsten nachatiantischen Zeitraum hinüber auch der Äther-leib starrere, festere Formen erhalten, und die Folge davon wird sein -ich habe das in verschiedenen Vorträgen angedeutet -, daß diesem Ätherleib, der mit seinen Formen wieder in den physischen Leib hin-eingeht, sich sehr stark geltend machen wird. Wir sind im fünften Zeitraum der ersten nachatlantischen Zeitepoche, dann kommt der sechste und dann der siebente Zeitraum; also im sechsten und siebenten Zeitraum wird dieser Ätherleib in seiner Starrheit einen großen Einfluß haben auf den physischen Leib, er wird den physischen Leib zu seinem getreuen Abbilde machen.
Das hat Wichtiges im Gefolge. Das hat im Gefolge, daß in diesem sechsten Zeitraume unserer nachatlantischen Erdenentwickelung die Menschen mit ganz bestimmten, ihre inneren moralischen Qualitäten ausdrückenden Leibern geboren werden. Man wird den Menschen begegnen und wird aus der Art, wie sie aussehen, wissen: sie sind moralisch so oder so geartet. Die moralische Physiognomie wird dann besonders stark ausgeprägt sein, während dasjenige, was jetzt mehr die Physiognomie ausmacht, mehr zurückgetreten sein wird. Jetzt wird der Mensch in seiner Physiognomie sehr durch die Vererbung bestimmt:
er sieht seinen Eltern, seinen Voreltern, er sieht seinem Volke und so weiter ähnlich. Das wird im sechsten Zeitraume ganz und gar keine Bedeutung mehr haben. Da wird der Mensch durch seine Inkarnationsfolge sich das Gepräge seines Aussehens geben. Die Menschen werden sehr verschieden sein, aber sie werden ein scharfes Gepräge haben. Man wird genau wissen: Du begegnest jetzt einem wohlwollenden oder einem übelwollenden Menschen . So wie man heute weiß: Du begegnest jetzt einem Italiener oder einem Franzosen -, so wird man dann wissen:
Du begegnest jetzt einem mißwollenden oder einem wohlwollenden Menschen, mit den verschiedenen Abstufungen. - Das wird also immer mehr und mehr sein, daß das Moralische sich im Gesicht ausdrückt.
Auch die äußere Physiognomie der Umgebung wird sich mannigfaltig ändern in diesem sechsten Zeitraume. Namentlich werden diejenigen Tiere ausgestorben sein, welche die Menschen heute ganz besonders zu ihrer Fleischnahrung wählen. Dann werden die Menschen ein großes Loblied auf die fleischlose Kost singen, denn es wird dann eine alte Erinnerung sein, daß die Väter in alten Zeiten sogar Fleisch gegessen haben. Nicht etwa so ist es, daß alle Tiere aussterben, sondern nur gewisse Tierformen; besonders die, welche die starrsten Formen angenommen haben, werden von der Erde verschwunden sein. Also auch die äußere Physiognomie der Erde wird sich etwas geändert haben.
Sehen Sie, dieses Darinnenstehen in einer so festen moralischen Physiognomie, wie es später kommen wird, das wird dem Menschen infolgedessen wie ein Fatum sein, wie ein richtiges Fatum, wie ein Schicksal, ein seinem ganzen Wesen aufgedrücktes Schicksal. In sich wird er dann nicht die Möglichkeit finden können, irgend etwas zu tun gegen dieses Fatum, gegen dieses Schicksal. Nun denken Sie sich diese Tragik! Der Mensch wird dann tatsächlich sich sagen müssen: Im fünften nachatlantischen Zeitraume, da gab es einzelne Materialisten, die glaubten, wenn dem Hinterhauptlappen nicht genau über das Kleinhirn geht, dann müßten die Menschen Verbrecher werden. Für diese Menschen war es damals Theorie, aber jetzt ist es wirklich so geworden, jetzt ist dasjenige fest geformt, wovon sie gesagt haben, daß es nicht formbar ist, nämlich der Ätherleib Wir gehen wirklich der Tendenz entgegen, die Theorien der materialistischen Weltanschauung gewissermaßen zu verwirklichen. Jetzt sind sie noch nicht eine Wirklichkeit, aber wir gehen der Tendenz entgegen. Da sind wir an einem eigentümlichen Punkte der Weltanschauungsgeheimnisse. Diejenigen, welche sich ganz und gar dagegen wehren würden, Propheten zu sein, sind die wahren Propheten, sind die, welche heute erzählen: Man ist deshalb ein Verbrecher, weil der Hintemhauptlappen das Kleinhirn nicht bedeckt. -Diese werden sich als Vorverkünder einer Wahrheit erweisen; das wird schon so sein! Die Materialisten von heute sind die ärgsten Propheten, sie wollen es nur nicht sein. Heute besteht noch die Möglichkeit, daß durch Erziehung eine solche eigenartige Bildung des physischen Leibes, wie ein zu kurzer Hinterhauptlappen, durch ein Gegengewicht paralysiert werden kann; in der sechsten nachatlantischen Zeit-epoche wird das nicht mehr der Fall sein können, die Ätherleiber werden dann nicht mehr verwandelbar sein. Da braucht es stärkere Mittel, ganz andere, stärkere Mittel, um dem vorzubeugen.
Wenn dem nicht vorgebeugt wird, so kommt eben der Zustand, den die Materialisten beschreiben und der dann eine Wirklichkeit ist: dann kommt der Zustand, den Sie in einer solch schmerzdurchwühlten Weise geschildert finden in den Gedichten der Marie Eugenie delle Grazie, die heute vorgelesen wurden. Diese Gedichte können Sie auf eine Zeit beziehen, welche schon vorgeahnt wird, die wirklich in der sechsten nachatlantischen Zeitperiode eintreten wird. Man kann in den Gedichten leicht fühlen: das ist eine Seele, die durch das, was sie als heutige Erkenntnis gewinnen kann, sich fühlt wie ins Nichts getaucht. Sie will weitergehen, hat aber noch nichts, was als Gegenmittel da ist, und da kommt ihr ein Bild, wie es sein wird, wenn es in der nächsten Zeit so fortginge mit dem Materialismus! Und um nichts anderes könnten die Menschen sich bekümmern in der sechsten nachatlantischen Zeit, als um solches, was die delle Grazie heute schon zum Ausdruck bringt, wenn kein Gegenmittel geschaffen würde gegen die Entwickelungsrichtung, die der Mensch einmal nimmt aus den Kräften heraus, die er nun einmal hat.
DREIZEHNTER VORTRAG
Dornach, 7. November 1915
Freie Verwaltung des Nachlasses Rudolf Steiner
Die okkulte Bewegung im 19. Jahrhundert
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